Über Bruno H. Bürgel


Er suchte die Sterne - und blieb auf der Erde- Eine Hommage an Bruno H. Bürgel von meinem geschätzten Bekannten Arnold Zenkert.


Der Schriftsteller Gustav Freytag verglich einmal die Wissenschaft mit einem großen Feuer, das im Volke beständig unterhalten werden muss. Die Wisschaftler haben die Pflicht, immer neue Scheite ins Feuer zu werden, andere haben die Aufgabe, die heilige Flamme der Wisschaft durch das Land, in die Dörfer und Hütten zu tragen. Bürgel hat diese Flamme weitergereicht, er war Verkünder, Popularisator und Multiplikator der Wisenschaft.

Zeit seines Lebens war die Welt der fernen Sterne Inhalt seines Schaffens und Strebens.


Aus den untersten Schichten des Volkes emporgestiegen, sah er in der Verbreitung des Wissens sowie der inneren Bereicherung des Menschen die Aufgabe seines Lebens.

Er kam aus den Gassen der Armut des Berliner Scheunenviertels, kannte die materielle und geistige Not des Vokes, seine ganze Zuneigung gehörte den einfachen Menschen. Seinen ungewöhnlichen Lebensweg kennzeichnen eiserner Fleiß, sich beständig autodidaktisch zu bilden sowie die Fähigkeit, wissenschaftliche Themen in einer bis dahin nicht gekannten Weise jedermann verständlich darzustellen. Dafür nennt er Quellen: "Ich kannte wie kein anderer populärwisenschaftlicher Schriftsteller die Seele des wissensdurstigen Volksgenossen im Arbeiterrock und wusste genau, wie man die Dinge ihrem Verständnis anzupassen hat. Ich hatte mir mein Wissen selbst außerordentlich mühsam angeeignet und war deshalb in der Lage, es leicht fasslich wiederzugeben".

Mit dem Namen Bürgel verbindet man die Vorstellung an Bücher, wie: Aus fernen Welten; Vom Arbeiter zum Astronomen; Hundert Tage Sonnenschein oder die kleinen Freuden. Bürgel war kein Berufsastronom, sondern ein bekannter astronomischer Volksschriftsteller, der es ausgezeichnet verstand, für jedermann verständlich und anschaulich über die Sterne und das All zu schreiben.

Bürgel wollte aber mehr als nur das bloße Anstaunen der Himmelswelt, er wollte zum verständnisvollen Betrachten, zum Verstehen anregen. Er hat entschieden dazu beigetragen, die seinerzeit unbekannte Wissenschaft - Astronomie - dem Volk näher zu bringen und eine breite Leserschaft anzuregen, über sich selbst, das Leben und die Stellung des Menschen im kosmischen Geschehen nachzudenken. Mit seinen anschaulichen Vergleichen, den poesievollen Schilderungen der Sternenwelt, den motivierenden Überschriften sowie durch die überzeugende Kraft seiner Worte vermochte er die Menschen in seinen Bann zu ziehen......

Groß war der Einfluss seines 1910 erschienen Buches - AUS FERNEN WELTEN - eine volkstümliche Himmelskunde und nicht wenige Wissenschaftler haben später bekannt, dass ihr Berufswunsch dadurch entscheidend beeinflusst wurde. Nicht zuletzt hat Bürgel damit vielen Amateurastronomen den Weg zu den Sternen, zu einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung, gewiesen. Viele Menschen waren von seinem Lebensweg fasziniert.

Es war dies sein Aufstieg vom Adoptivsohn eines einfachen Schusters, vom Dorfschüler zum Saaldiener in der URANIA Sternwarte Berlin und vom Autodidakten zu einem namhaften Volksschriftsteller, der auch in Fachkreisen Anerkennung und Wertschätzung genoss.

In der Geschichte der populären Astronomie ist Bürgel der Inbegriff sachlich fundierter, im besten Sinne "volkstümlicher" Darstellung naturwissenschaftlichen Wissensgutes.

Bürgel wollte den Menschen nicht nur die fernen Sterne näher bringen, er hatte auch Rezepte für das Erdenleben, für die Freuden und Mühen des Alltags..........

und Bürgel heute?

Was hat uns Bürgel heute noch im Zeitalter der Riesenteleskope, der Raumfahrt und der Massenmedien zu sagen? Können wir uns in seinen astronomischen Werken - von einigen Themen abgesehen - überhaupt noch informieren? Sollte man sie überarbeiten und auf den neuesten Stand der Wissenschaft bringen? Was aber bliebe dann noch von Bürgel übrig?

Lesen wir seine Werke so, wie sie einst geschrieben wurden und versetzen wir uns in seine Gedankenwelt und in seine Bestrebungen, als Schriftsteller den Anspruch auf Kultur und Bildung des Vokes zu erfüllen. Die Darstellungweise astronomischer Sachverhalte ist heute nüchterner und sachlicher.

Der Hauch der Feierlichkeit, der Blick auf das Unermessliche, Gewaltige und Erhabene stand zu Bürgels Zeiten im Vordergrund. Damals beliebte Begriffe, wie unermessliche Weiten oder Äonen von Jahren - sind auf sachliche numerische Größen reduziert worden. Viele jener einstigen Geheimnisse, Rätsel oder ewig unlösbare Fragen - boten zu seiner Zeit noch reichlich Stoff zu Spekulationen.

Heute ist davon ein großer Teil allgemeines Wissensgut geworden, das bereits in Schulen Eingang gefunden hat.


Die Raumfahrt, die neun Jahre nach Bürgels Tod begann, hat uns eine Welt eröffnet, an die damals noch nicht zu denken war. Bürgel leistete eine gewaltige Bildungsarbeit. Er gehörte seiner Zeit neben Bölsche, Henseling, Heilborn zu den bedeuteten Popularisatoren und Verfechtern des Volksbildungsgedankens, die für die breite Tätigkeit der späteren Volkshochschulen die Grundlagen schufen. Was Bürgel uns heute noch zu sagen vermag, ist didaktisch-methodischer Art. Wie hat er es verstanden, die Astronomie volkstümlich und allgemein verständlich machen? Mit welchen Mitteln hat er dies erreicht, um die Meschen zu begeistern und zu fesseln? Seine Methoden können heute noch beispielgebend für Pädagogen sein.

Bereits zu Lebzeiten hatten ihm Freunde und Verehrer ehrende Beinamen gegeben: Arbeiterastronom, Dichterastronom, Astronom des Herzens, Apostel der Sterne usw. Prof. Diedrich Wattenberg, langjähriger Direktor der Archenhold-Sternwarte in Berlin-Treptow und Freund Bürgels kennzeichnet seine Persönlichkeit und sein Wirken: ........ man mag darüber streiten, ob Bürgel mehr Astronom oder mehr ein Schriftsteller war, das Geheimnis seiner Wirkung lag in seiner Persönlichkeit, in der überzeugenden Kraft seines Wortes, in seiner unvergleichbaren Begabung, durch die Kunst seiner Wortbildung und Sprache, zahllose Meschen zu packen und in einem beständigen Atem zu halten, sie mit sich fortzuziehen in alle Schönheiten der Natur. Dahin hat er uns Wege gewiesen, die trotz mancher Einwendungen gegen seine Anschauungen dem Leben ungezählter Menschen einen Sinn und Inhalt verliehen

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Bruno H. Bürgel (1875-1948)
Federzeichnung von Gudrun Stark

Bürgel wurde 1875 in Berlin geboren. In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen und von einem Schuhmacherehepaar adoptiert, gelang ihm der Aufstieg zu einem anerkannten und in Fachkreisen geehrten Schriftsteller. Seine Schriften waren vielen Menschen in schwerer Zeit Erbauung und Hilfe. Heute würde man ihn vermutlich zu den Bestsellerautoren zählen. Sein Werk umfasst 22 Bücher, die auch zum Teil im Ausland erschienen sind. Sie zeugen von Fleiß und Beharrlichkeit. Bürgel verstand es, mit einer einfachen und eingängigen Sprache selbst schwierige Sachverhalte darzustellen. Der wichtigste Gegenstand seines Schreibens war die Himmelskunde, aber auch auf andere naturwissenschaftliche Fragestellungen verstand er meisterhaft Antwort zu geben. Darüber hinaus war er ein amüsanter Alltagsphilosoph, der die Schnurren seiner Zeitgenossen aufs Korn zu nehmen wusste. Bruno H. Bürgel stand politisch der SPD nahe und war im Nachkriegsdeutschland Mitbegründer des „Kulturbundes“.

Der Alte aus Babelsberg starb im Juli 1948 in Potsdam. In Deutschland tragen acht Schulen, fünf Sternwarten und achtzehn Straßen seinen Namen. Eine Gedenktafel am ehemaligen Wohnhaus in der Merkurstraße 10 in Potsdam erinnert an den Menschen- und Sternfreund. Sein Credo, „nicht gerecht, sondern gütig zu sein“, hat bis heute seine Gültigkeit nicht verloren.

Um ihn ein wenig dem Vergessenwerden zu entreißen, habe ich Bürgels Schrift „Vom täglichen Ärger“ als Neuauflage herausgegeben. Nachfolgend eine kleine Kostprobe aus diesem kauzigen Büchlein.

Da fällt mir eben ein... Ich muss Ihnen das mitteilen, ehe ich es vergesse! „Sängerin“. Auch so eine Teufelei! Was können so winzige Dinge, wie es die Buchstaben in einem Zeitungsartikel schon sind, für Ärger schaffen! Eines Tages gastiert eine hochberühmte Sängerin an un­serem Theater, eine Walküre, die einen feldmarschmäßig ausgerüsteten Soldaten mit dem rechten Arm hätte emporstemmen können, eine Ma­dame, mit der verheiratet zu sein mir für jemand, der nicht Preisboxer oder Schwerarbeiter ist, untunlich und bedenklich erscheint. Ein gewal­tiger Wogebusen erschien einen Schritt vor ihr selbst, wenn sie aus der Kulisse trat, ein Busen, der hingereicht hätte, sie zur Nährmutter eines ganzen Volkes zu machen.

Am nächsten Morgen begrüßt sie der Re­dakteur für Kunst und Wissenschaft in der Zeitung mit den Worten: „Die größte Säugerin, die je unsere Bretter betrat...“ Was für ein gottverfluchter Druckfehler! Aber eine ganze Stadt bricht in ein kollern­des Gelächter aus, und in der Redaktion, Setzerei und Druckerei entladen sich elementare Gewitter; es kommt zu Beleidigungen, Entlassungen, ein winziger Buchstabe, ein Bleiklümpchen von der Größe eines halben Pfef­ferkorns, richtet Unheil an, unterbricht eine Karriere, stellt das Schick­sal von Familien um! Ein Pünktchen, das auf der Netzhaut unseres Au­ges zu einer untermikroskopischen Winzigkeit wird, ändert unser Denken und Empfinden! Die beiden Sätze: „Hänschen, sagt der Lehrer, ist ein Faulpelz“ und „Hänschen sagt, der Lehrer ist ein Faulpelz“ enthalten die gleichen Worte in gleicher Folge und sagen doch Gegensätzliches aus: ist der eine berechtigte Kritik, so der andere die freche Bemerkung eines Lausbuben. Das aber ist es, was ich sagen will! Winzigkeiten entscheiden über Glück und Unglück in unserem Leben, über Freud und Leid, Ärger und Vergnügen. Bakterien können Elefanten umbringen.

Aus Bruno H. Bürgel „Vom täglichen Ärger“, herausgegeben von Matthias Stark,
ISBN 978-3-7528-6643-8

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